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Stand: 29.01.2006
Studienbrief: Risorgimento und Nationalstaat. Geschichte Italiens 1750-1915
Art der Tätigkeit: | Ko-Autorenschaft, Lektorat, Satzerstellung |
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Auftraggeber: | FernUniversität Hagen |
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Verwendung: | Master- und Magister-Studiengang Sozial- und Kulturwissenschaften an der FernUniversität Hagen |
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| Kursvorstellung der FernUniversität |
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| 1. Konzeption des Studienbriefs |
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| 2. Inhalt des Studienbriefs |
1. Konzeption des Studienbriefs
Der Studienbrief widmet sich der Geschichte der Umformung der alten italienischen Staatenwelt zu einem einheitlich verwalteten und konstitutionell verfassten modernen Nationalstaat. Der zugrundegelegte Untersuchungszeitraum 1750 bis 1915 markiert die Vorbereitung, den Beginn und die Vollendung dieses Prozesses der Nationalstaats- und Nationsbildung, der in der italienischen Geschichtsschreibung traditionell als „Risorgimento“, als „Wiedererstehen“ oder „Wiedergeburt“ Italiens dargestellt wird. Das Konzept des Risorgimento hat seinen konkreten Ausgangspunkt in den kurzlebigen Republiken von 1796-1799 und den sich daran anschließenden napoleonischen Satellitenmonarchien, gefolgt vom Kampf gegen die zählebigen Beharrungskräfte der Restauration und der zielstrebigen Durchsetzung der nationalen Einheit. In dieser Hinsicht steht „Risorgimento“ auch für den Mythos eines nationalen Martyriums, das über die ambivalente Erfahrung von Modernisierung und Fremdherrschaft in französisch-napoleonischer Epoche sowie im Zuge mehrerer Erhebungen und Aufstände gegen die Fremdherrschaft (1820, 1831, 1848) dank charismatischer Führer (Giuseppe Mazzinis [1805-1872], Giuseppe Garibaldi [1807-1882], Camillo Benso di Cavour [1810-1861]) in die piemontesische „(Er-)Lösung“ des italienischen Einheitsstaats von 1861 mündete.
Ungeachtet ihrer starken ideologischen Differenzierung blieb die italienische Geschichtsschreibung diesem Konzept auf lange Zeit und zum Teil bis heute verpflichtet. Erst die politische und moralische Krise Italiens Anfang der 1990er Jahre löste in der Geschichtsschreibung ein wachsendes Interesse für die historischen Ursachen von nationalem Identitätsdefizit und separatistischem Unmut aus. Inzwischen hat sich eine kontroverse Beurteilung der Widersprüche und Defizite der italienischen Nationalstaats- und Nationsbildung durchgesetzt.
Vor diesem Hintergrund verfolgt der Studienbrief das Lernziel, zu einer differenzierten Beurteilung des Prozesses der italienischen Nationalstaats- und Nationsbildung mit all seinen Brüchen und Zufälligkeiten zu befähigen. Auf diese Weise sollen die Studierenden für das teleologische Dilemma des klassischen Risorgimento-Konzeptes sensibilisiert werden, das in der italienischen Nationalgeschichtsschreibung lange Zeit von einer vermeintlich notwendigen historischen Entwicklung der italienischen Staaten zum unitarischen Nationalstaat von 1861 ausgegangen war.
Der Studienbrief rekonstruiert seinen Gegenstand in drei Kurseinheiten. Die erste Einheit setzt in der Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Phase ein, die in Hinsicht auf die Ereignisse und Auseinandersetzungen des Risorgimento als vorbereitend bezeichnet werden kann: Im Anschluss an die europäischen Erbfolgekriege der ersten Jahrhunderthälfte bescherte der Frieden von Aachen (1748) Italien eine fast fünfzigjährige Friedensphase, in deren Verlauf sich die Staaten und Territorien der Halbinsel gegenüber den Einflüssen der im Zeichen von Aufklärung und Absolutismus stehenden europäischen Kultur und Politik öffneten. Die Kurseinheit zeigt, dass diese europäische Rezeptionsleistung die Voraussetzung für Reformen der Staats-, Gesellschafts- und Wirtschaftsverfassung bildete. Zugleich verdeutlicht sie jedoch auch die Grenzen und Widersprüche des aufgeklärten Absolutismus insbesondere unter dem Eindruck der Französischen Revolution (1750-1796). Für die anschließende französisch-napoleonische Epoche in Italien (1796-1814) wird deren ambivalenter Charakter herausgestellt, der von einem umfassenden Modernisierungsschub auf konstitutionell-politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene über die Geburtsstunde eines nationalen Bewusstseins bis hin zum Wiederstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft reichte.
Die Kurseinheit 2 behandelt die eigentliche Phase des Risorgimento, die von der Wiener Neuordnung der italienischen Staatenwelt unter habsburgischer Hegemonie (1815) über mehrere, auch europäisch inspirierte Aufstände und Revolutionen schließlich 1861 zur territorialen Einigung Italiens unter savoyischer Krone bzw. 1870 zur Integration Venetiens und Roms und damit zur Vollendung des italienischen Nationalstaats führte. Auch hier schärft die Darstellung den Blick für die unterschiedlichen Interessenlagen und politischen Richtungen innerhalb der italienischen Nationalbewegung, um den politischen Akt der nationalen Einigung als einen Vorgang verständlich zu machen, der von vielfältigen, nicht immer bewusst intendierten und mitunter auch zufälligen Faktoren abhing.
Die letzte Kurseinheit behandelt den Werdegang des neuen Nationalstaats in Hinsicht auf seine „innere Einigung“, die unter der politischen Führung des italienischen Liberalismus mehr oder weniger erfolgreich bis zum Ersten Weltkrieg vorangetrieben wurde, um die staatliche Integration durch die innere Nationsbildung zu ergänzen und zu konsolidieren. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die unterschiedlichen Techniken und Strategien des „nation-building“. Dabei kommt der außenpolitischen Ebene besondere Bedeutung zu, die einerseits den Prozess der inneren Nations- und Staatsbildung vorantrieb, andererseits mit dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg (1915) den Abschluss der Epoche des Risorgimento herbeiführte.
Naturgemäß verfolgt der Studienbrief nicht den Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit. Zu Beginn jeder Kurseinheit findet sich daher zur Vertiefung der darin dargelegten Thematik eine knappe Auswahlbibliographie, in der die Standardwerke und auch die neueren Ansätze der italienischen Geschichtsschreibung berücksichtigt wurden. Für die jeweilige Kurseinheit werden Gesamt- und Überblicksdarstellungen zur ergänzenden Lektüre empfohlen; als einführende Literatur sind ausgewählte Texte zur Geschichte der Geschichtsschreibung, als weiterführende Texte Regionalstudien und edierte Quellen angegeben. Ein vorangestelltes übergeifendes Literaturverzeichnis bietet in größerem Maße auch deutsch- und anderssprachige Zugänge und Überblicksdarstellungen zum gesamten Untersuchungszeitraum an. Nach den einzelnen Abschnitten ermöglichen Arbeitsaufgaben eine Lese- und Reflexionspause zur Rekapitulation der gerade behandelten Thematik.
2. Inhalt des Studienbriefs
Kurseinheit 1:
Italien zwischen Aufklärung und Konstitutionalismus 1750-1814 | |
1.1 Einführung | 5 |
1.2 Europäische Kriege und Aufklärung.
Die italienische Staatenwelt zwischen Reform
und Revolution 1750-1795 | 23 |
1.3 Nationale Revolution unter französischer Herrschaft.
Die italienischen Republiken 1796-1799 | 47 |
1.4 Enttäuschte Nation und effiziente Verwaltung.
Die napoleonische Herrschaft in Italien 1800-1814 | 73 |
Kurseinheit 2:
Die italienische Nationalstaatsbildung zwischen Restauration, Revolution und Diplomatie 1815-1861 | |
2.1 Einführung | 5 |
2.2 Zwischen Ancien Régime und Erneuerung.
Italien in der Restauration 1815-1830 | 12 |
2.3 Reform von oben, nationale oder soziale Revolution?
Die italienische Nationalstaatsbewegung 1821-1849 | 31 |
2.4 Der Weg zur territorialen und politischen Einigung 1850-1861 | 58 |
Kurseinheit 3:
Das liberale Italien 1861-1915 | |
3.1 Einführung | 5 |
3.2 Die Regierungsära der Destra 1861-1876 | 10 |
3.3 Die Regierungsära der Sinistra und die
Ausgestaltung der politischen Kultur 1876-1887 | 39 |
3.4 Das liberale Italien zwischen Krise und Aufbruch 1887-1915 | 68 |
Stand: 29.01.2006
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